NO.11 __AU GOÛT PARISIEN

Basel Chamber Orchestra
Giovanni Antonini,
conductor
Hanns-Joseph Ortheil, writer
Elliott Erwitt, photographer


Symphonies No.24, No.87, No.2 and No.82 "L'Ours"

Program

Joseph Haydn (1732–1809): Symphony No.24 D Major Hob. I:24 (1764)
[Allegro] / Adagio. Cantabile / Menuet – Trio / Finale

24

SYMPHONY NO.24 D MAJOR HOB. I:24 (1764)

Orchestration: 2 ob/fl, 2 hn, str
Time of creation: [2nd half?] 1764

[Allegro] / Adagio. Cantabile / Menuet – Trio / Finale

 

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von Christian Moritz-Bauer

Ob oder inwiefern Haydn seinerzeit über die zu Paris gefeierten Erfolge seiner Kompositionen unterrichtet war, darüber wissen wir heute ebenso wenig Bescheid, wie über die Informationsquellen, welche ihm die Spezifika des dortigen, als besonders ausgefallen geltenden Publikumsgeschmacks näher brachten. Mit großer Sicherheit dürfte ihm jedenfalls ein um fünfzehn Jahre älterer Bericht der oben zitierten, vielgelesenen Monatsschrift entgangen sein, der da lautete: „[A]n diesem Tag [den 9. April 1773] gab es zwei Sinfonien beim Konzert, eine am Anfang (von Toeschi), die andere im zweiten Teil (von Haydn). Beiden wurde viel Applaus gespendet, darunter aber vor allem dem Andante der zweiten, in dem Herr Rault2 ein Solo auf der Flöte spielte.“2

Die diesem Zitat traditionell zugeordnete Sinfonie Nr. 24 in D-Dur, wurde lange Zeit als die erste bei einem öffentlichen Konzert in Paris aufgeführte Komposition Joseph Haydns angesehen.3 Heute wissen wir, dass dieses Bild wenigstens dahingehend richtig zu stellen ist, dass es sich dabei allenfalls um die erste nachweislich in der Seine-Metropole zum Erklingen gebrachte Haydn-Sinfonie gehandelt haben dürfte. Einstweilen ungeachtet, dass es auch eine weitere, fast noch wahrscheinlichere Kandidatin für den musikalischen Glanzpunkt jenes Abends im altehrwürdigen Salle des Cent-Suisses des Tuilerienpalastes geben würde,4 darf man in dieser Tonschöpfung des Jahres 1764 dennoch getrost ein Werk vermuten, welches dort in gleich mehrfacher Hinsicht großen Zuspruch hätte erzielen können. Diversen zeitgenössischen Quellen, darunter den Briefen W. A. Mozarts aus dem Jahr 1778 folgend, konnte man in Paris etwa hervorragend punkten, wenn Motive, Passagen, ja ganze Formteile in entscheidender Weise vom Spiel und den klangfarblichen (Kombinations)möglichkeiten der Blasinstrumente gestaltet waren. In Hob. I:24 beispielsweise beschränken sich solche Momente nicht nur auf den 2. Satz, ein Adagio, das Haydn in Form eines veritablen Konzertsatzes für Franz Sigl, den Flötisten der esterházyschen Hofkapelle geschrieben hatte. Auch davor sind die Bläser tonangebend. Schon das Thema des Kopfsatzes ist – nicht wenig überraschend – der gleichzeitigen Stimmführung von Oboen und Hörnern anheimgestellt, was sich an vergleichsweise üblicher Stelle dann im ländlerisch angehauchten Menuet wiederholen wird. (Allerdings müssen die Oboen während des darin eingebetteten Trio-Teils ihre blechernen Tanzpartner vorübergehend an die bis dahin geduldig auf ihren Wiedereinsatz wartende Soloflöte abgeben.)
Als weiteres Element der Überraschung darf, nach Wolfgang Marggraf, der Durchführungsteil des im Autograph ohne Tempoangabe versehenen Allegrosgewertet werden:

„Dieser wilde Einbruch leidenschaftlicher Erregung, der die zuvor ausgebreitete eher beschauliche Grundstimmung des Satzes unbarmherzig zerstört, ist in Haydns frühen Sinfonien beispiellos, und es scheint fast selbstverständlich, dass danach nicht zum Anfang des Satzes zurückgeleitet werden könnte, als habe nichts sich ereignet. Die Verstörung ist vielmehr so groß, dass sich das Thema zu Beginn der Reprise in den Streichern ohne allen Bläserglanz nur ganz zaghaft zu Wort meldet, im Piano und nach d-Moll eingetrübt.“5

Weniger zaghaft, dafür im Pianissimo hebt der ansonsten meist in lauter bis sehr lauter Dynamik gehaltene Finalsatz an – ein ins Gegenteil verkehrter premier coup d'archet quasi – der in Paris sicher sehr gefallen hätte.

Félix Rault (*1736 in Bordeaux), Traversflötist, Komponist und Pädagoge. Als Schüler von Michel Blavet wurde Rault bereits 1748(!) unter den Mitgliedern des Orchesters der Pariser Oper geführt. Ab 1765 nahm er an den Aufführungen des Concert spirituel teil. Von 1768–1792 war er zudem Mitglied der Chapelle Royale.
Mercure de France, April 1773, Bd. 2, S. 170 (Übers.: Christian Moritz-Bauer).
Vgl. Wolfgang Fuhrmann: Haydn und sein Publikum. Die Veröffentlichung eines Komponisten, ca. 1750–1815. Habilitationsschrift, Bern 2010, S. 103–105.
Gemeint ist die Sinfonie Nr. 41 in C-Dur von 1768. Ihr Vorsprung in der Debatte um die erste nachweislich in Paris aufgeführte Haydn-Sinfonie besteht u.a. darin, dass der langsame Satz hier tatsächlich als [Poco] Andante und nicht, wie bei Sinfonie Nr. 24, mit Adagio überschrieben steht. Außerdem hat sich von Hob. I:41 ein am 12. Dezember 1771 erstmals angezeigter, mehrfach nachgelegter Stimmendruck vom Verlag des Jean-Georges Sieber in der Rue St. Honoré erhalten, während es auf der anderen Seite scheint, als sei Hob. I:24 – zumindest zu Lebzeiten des Komponisten – niemals in Paris im Druck erschienen. Aus Gründen der Abwechslung im Bereich der Tonarten wird in Projekt 11 der Sinfonie 24 der Vortritt gelassen und Sinfonie 41 dann bei späterer Gelegenheit nachgereicht.
Wolfgang Marggraf: Haydns frühes sinfonisches Schaffen am Hofe zu Eisenstadt (1761–1766). Die Sinfonien des italienischen und des Normaltyps

: www.haydn-sinfonien.de/text/chapter3.1.html, Abruf: 1. Mai 2019.

VOL. 11 _AU GOÛT PARISIEN

Giovanni Antonini, Basel Chamber Orchestra

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Franz Joseph Haydn (1732–1809): Symphony No.87 A Major Hob. I:87 (1785)
Vivace / Adagio / Menuet – [Trio] / Finale. Vivace

87

SYMPHONY NO. 87 A MAJOR HOB. I:87 (1785)

Orchestration: fl, 2 ob, 2 bn, 2 hn, str
Time of creation: 1785

Vivace / Adagio / Menuet – [Trio] / Finale. Vivace

 

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von Christian Moritz-Bauer

Von 1764, dem Kompositionsjahr Sinfonie Nr. 24 D-Dur, bis 1784, dem Jahr des vermeintlichen Vertragsschlusses zwischen Haydn und den Vertretern der Freimaurerloge « de la Parfaite Estime & Société Olympique » bzw. deren hauseigener Veranstaltungsreihe, dem Concert de la Loge Olympique, waren ungefähr ein halbes Hundert Haydn'scher bzw. Haydn unterschobener Sinfonien bei verschiedenen Pariser Verlegern herausgekommen. Bis zur Veröffentlichung der Six SINFONIES A DIVERS INSTRUMENS DU RÉPERTOIRE DE LA LOGE OLYMPIQUE sollten allerdings noch einige Jahre ins Land ziehen und selbiger Sammlung sogar drei weitere Drucke – wenngleich in voneinander abweichender Reihung der Werke folgen.1 Beim Verlag Artaria Compagnie in Wien, welcher schließlich der erste war, der Haydns „Pariser Sinfonien“ zum Verkauf anbieten konnte, hatte Haydn sogar versucht, Einfluss auf die Publikationsreihenfolge zu nehmen: „[...] Ich vergasse lezthin die Ordnung der Sinfonien anzuzeigen, und müssen solche folgender arth gestochen werden: Die Sinfonie Ex A. Numero 1, Ex b fa Nro 2, Ex g Nro 3, Ex Es Nro 4, Ex D Nro 5, Ex C Nro 6.“2 Dieser (am Ende unerfüllt gebliebenen) brieflichen Anweisung entsprechend, hatte Haydn also geplant, sein jüngstes Oeuvre mit eben jenem Werk beginnen zu lassen, das in der offiziellen Zählung schließlich das Schlusslicht einnehmen sollte: die Sinfonie Nr. 87 in A-Dur.

Der ursprünglich zugedachten Position unter den Sinfonien Hob. I:82–87 entsprechend, zeigt sich der Beginn jenes Werks, das H. C. Robbins Landon einmal als „stepchild of the Paris Symphonies“ bezeichnete,3 den Anfängen seiner früheren, aus dem Bereich der Theatermusik erwachsenen Sinfonien als durchaus nahestehend. Haydn-Forscher Felix Diergarten bringt es auf den Punkt: „Der Fanfaren-Gestus [des anfänglichen, drei Mal hintereinander auftretenden] rhythmischen Motivs, der rauschende Klang, die eher amorphe Melodik und das Unisono ab Takt 6 […]. Welche der verschiedenen motivischen Gestalten […] zum Gegenstand der sinfonischen Entwicklung werden wird, macht erst [die in] Takt 18 [einsetzende Fortspinnung] klar.“4 Doch damit nicht genug, was die zahlreichen Überraschungen dieses lebhaften Sinfoniesatzes angeht. Da wäre etwa das hin und her trippelnde Seitenthema der Streicher, mit dessen Einsatz sich der Komponist so viel Zeit lässt, dass er es – um „seine Pointe“ zu verstärken – nach einem eingeschobenen Orchestertutti gleich nochmals wiederholt, um damit den ersten Wiederholungsteil im Pianissimo verklingen zu lassen. (Ganz nebenbei sei auch noch erwähnt, dass eben jenes Seitenthema im weiteren Verlauf des Satzes zu des Komponisten liebstem motivisch-thematischen Spielball avanciert, mit dem er seine Zuhörerschaft auf einen Orbit voller genialischer Stimmungsumschwünge schicken wird.)
Auf soviel ,innere Erregungʻ wirkt das Adagio „mit [seinen] schönen Themen und variierter wiefarbenprächtiger Instrumentierung, als ideales Medium für bläsersolistische Alleingänge, die möglicherweise v. a. dazu entworfen wurden, dem Geschmack der Pariser zu schmeicheln“.5 In eben jene Richtung, nämlich seinem entfernt gelegenen Publikum mit einen Höchstmaß an kompositorischer Vielfalt aufzuwarten, dürfte auch das anschließende Menuetkonzipiert worden sein. Landon etwa vermag aus ihm „eingängige Peitschenschnalzer“ und „leichte Balkan-Drehungen“ herauszuhören,6 sowie ein überaus anspruchsvolles Oboensolo in dem dazwischen geschalteten Trio-Abschnitt. Und zum finalen Vivace lesen wir bei Ludwig Finscher, dass es „in gewisser Hinsicht einfach, aber zugleich einer der merkwürdigsten Sonatensätze“ sei, die Haydn je geschrieben habe: „[D]ie thematische Substanz ist gering, das einzige Thema wird kein einziges Mal geschlossen präsentiert, sondern bricht ständig in lärmende Tutti-Durchführungsabschnitte um. An die Stelle eines durch ausbalancierte Form gebändigten Satzes […] tritt die permanente Turbulenz, nach deren Festlaufen in Septakkorden das endlich erscheinende Thema nur noch ein witziges apercu ist. Das Publikum, das sich schon über die Witze im Finale von Mozarts Pariser Symphonie so gefreut hatte, wird [solcherlei Spiel gewiss] goutiert haben.“7

Siehe: Hiroshi Nakano (Hg.), Johann Haydn Werke I/12: Pariser Sinfonien, 1. Folge, München 1971, S. VI–VII.
Joseph Haydn: Gesammelte Briefe und Aufzeichnungen. Unter Benutzung der Quellensammlung von H. C. Robbins Landon, hg. von Dénes Bartha, Kassel, Budapest u.a. 1965, S. 175(–176).
H. C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works. Haydn at Eszterháza 1766–1790. London 1978, S. 606.
Felix Diergarten: „Jedem Ohre klingend.“ Formprinzipien in Haydns Sinfonieexpositionen. Laaber 2012, S. 173.
Bernard Harrison: Haydn. The Paris Symphonies. Cambridge 1998, S. 92 (Übers.: Christian Moritz-Bauer).
Landon: Haydn at Eszterháza, S. 607.
Ludwig Finscher: Joseph Haydn und seine Zeit. Laaber 2000, S. 343–344.

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Giovanni Antonini, Basel Chamber Orchestra

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Franz Joseph Haydn (1732–1809): Symphony No.2 C Major Hob. I:2 (1757/59?)
Allegro / Andante / Finale. Presto

2

SYMPHONY NO.2 C MAJOR HOB. I:2 (1757/59?)

Orchestration: 2 ob, 2 hn, str
Time of creation: before 12.3.1764 [1757/1759]

Allegro / Andante / Finale. Presto

 

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von Christian Moritz-Bauer

Jean-Baptiste Venier, einem in der französischen Hauptstadt zwischen 1755 und 1782 aktiven Verleger venezianischer Abstammung, der auch als Violinist und Cembalist (u.a. in den Concerts spirituel) tätig war, darf der Verdienst zugesprochen werden als allererster seiner Zunft eine Sinfonie Joseph Haydns veröffentlicht zu haben – so geschehen im Jahr 1764 mit der Sinfonie C-Dur Hob. I:2. Als Opus 14 in der Pubikationsreihe Sinfonie à più stromente composte da varii autori unter der Rubrik « noms inconnus bons à connoitre » (zu dt. etwa: „unbekannte Namen, die man sich merken sollte“) erschienen, sollte sie den Grundstock einer beispiellosen Erfolgsgeschichte in den Annalen des europäischen Musikverlagswesen legen. Laut Erstanzeige vom 12. März 1764, waren zu den auch im Einzeldruck erhältlichen Werken der Sammlung, die u.a. noch Sinfonien von Pieter van Maldere, Johann Christian Bach und Ignaz Fränzl enthielt, auch in Kopistenschrift verfasste Bläserstimmen erhältlich. Im Fall der Haydn-Sinfonie haben sich selbige allerdings nur in nicht aus Paris stammenden Quellen erhalten.

Zu den hervorstechenden Merkmalen unserer noch auf die Jahre von Haydns erster kapellmeisterlichen Anstellung im böhmischen Lukavec zurückgehenden Komposition gehören: Der generelle Verzicht auf Wiederholungszeichen, der sie unter ihresgleichen und unter Einbezug des fünfteiligen Schlussrondos als ein „formales Unikat“1 erscheinen lässt. Ferner wurde (von A. Peter Brown) bemerkt, dass hier eine Synthese aus barockem Gruppenkonzert und italienischer Ouvertüre vorläge, die wiederum auf eine alte (Wiener) Tradition von Stücken zurückgreife, die sich stufenförmig aufgebauter Themenkomplexe bediene.2 Schließlich gibt es da aber auch noch das bläserlos geführte zentrale Adagio. „Hier“, so wiederum Landon, „haben wir ein anderes Experiment: eine Art Perpetuum mobile, bei dem die Violinen zwischen der ersten und letzten Note – beide von einer Achtel Länge – durchgehend in Sechzehnteln spielen, wobei die daraus entstehende Struktur in einem fort durch die Verwendung von Trillern unterbrochen wird.“ Das Ganze würde „eine grässliche Faszination“ ausüben, etwa so, „wie das gemalte Grinsen eines Harlekins in einer dieser Puppentheateraufführungen, die während des Sommers in den Gärten Roms zu erleben waren.“3

Sonja Gerlach: „Joseph Haydns Sinfonien bis 1774. Studien zur Chronologie“, in: Haydn-Studien 7/1–2 (1996), S. 62.
Vgl. A. Peter Brown: The Symphonic Repertoire Volume II. The First Golden Age of the Viennese Symphony: Haydn, Mozart, Beethoven, and Schubert. Bloomington & Indianapolis 2002, S. 53 (Übers.: Christian Moritz-Bauer).
3 .C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works. Haydn: The Early Years: 1732–1765, London 1980, S. 287.

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Franz Joseph Haydn (1732–1809): Symphony No.82 C Major «L'Ours» Hob. I:82 (1786)
Vivace / Allegretto / Menuet – Trio / Finale. Vivace [assai]

82

SYMPHONY NO.82 C MAJOR «L'OURS» HOB. I:82 (1786)

Orchestration: fl, 2 ob, 2 bn, 2 hn or tpt, timp, str
Time of creation: 1786

Vivace / Allegretto / Menuet – Trio / Finale. Vivace [assai]

 

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von Christian Moritz-Bauer

Die Idee eines Jahrmarktspektakels, wie sie uns H. C. Robins Landon hinsichtlich der Sinfonie Nr. 2 von ca. 1759 näher brachte,1 lässt sich auch auf den Schluss- und Höhepunkt von Haydn2032-Projekt Nr. 11 „Au goût parisien“ übertragen: die Sinfonie Nr. 82 in C-Dur, bekannt geworden unter dem Beinamen „L'Ours“. ,Schuld daranʻ ist dessen berühmter Finalsatz mit seinem 2/4-taktigen Contredanse-Charakter, bei dem sich „[i]n unaufhörlichem Wirbel“2 Bild an Bild einer sich an sich selbst und einem bunten Treiben von Schaustellern erfreuenden Gesellschaft reihen. Ob diese Szenen nun im Park von Schloss Eszterház nahe Süttor, oder vielmehr am Platz um die Kirche Saint-Germain-des-Prés, im gleichnamigen Quartiers des 6. Pariser Arrondissement gelegen, stattgefunden haben, möge ein(e) jede/r ihrer/seiner eigenen Phantasie überlassen. Als besonders bildhaft erweist sich dabei sogleich das dem sprunghaften Hauptthema unterlegte Spiel der Streicherbässe mit brummenden Liegetönen und schrappenden Vorschlagsnoten, das an das Drehleier- und Dudelsackspiel des Fahrenden Volkes erinnert. Jedenfalls sollte schon im Jahr der ersten Stimmendrucke von Hob. I:82 in einer Anthologie des Speyrer Verlegers Philipp Bossler eine Klavierbearbeitung eben jenes Vivace assai erscheinen, das dort den Beinamen „Bären-Tanz“ erhielt. Von hier bis zur späteren Taufe der gesamten Sinfoniekomposition auf „L'Ours. Bärentanz“ im Haydn-Verzeichnis der Zürcher Neujahrsblätter (1831) und in der gleichnamigen Partiturausgabe von 1860/61 beim Offenbacher Verlag André, war es also – zumindest inhaltlich gesehen – alles andere mehr als weit.

Die Wildheit und Energie der Großen „Ex C“ aus Haydns sechsteiligem Sinfonienzyklus von 1785/86 greift weit um sich und bemächtigt sich nicht nur des zweiten, „polkaartig schwingenden“3 Themas des Finalsatzes samt strettaartiger Schlusspassage mit Fortissimo-Paukenwirbel. Schon auf das anfängliche Vivace streckt es seine Fühler aus. So vermutet auch der bereits zitierte A. Peter Brown, wenn – laut eines W. A. Mozart – das französische Publikum für den Anfang einer Sinfonie in der Regel nach einem premier coup d'archet, einer lautstarken, oft tutti geführten Passage verlangte, der Kompositionsbeginn hier bei Haydn auf selbiges wie ein Energieschock gewirkt haben müsste.4
Nach einem so glutvollen Werkbeginn, entpuppt sich das Allegretto als ein für den Haydn jener Jahre so typisch wie kunstvoll gestalteten Variationssatz, in dem zwei alternierende Themen von gegenteiligem Tongeschlecht (F-Dur bzw. f-Moll) in wechselnder Folge verarbeitet werden. Bernard Harrison fügt dem hinzu, dass die Natürlichkeit und Einfachheit dieses (gar nicht so) langsamen Satzes der (scheinbaren?) Würde der Gesamtkomposition gegenüber in jeder Hinsicht angemessen gewesen wären.5 Ob das auch auf dessen schmissige Coda zutreffend ist? mais oui, bien sûr...
Besaß der Menuet-Satz des vor der Konzertpause erklungenen Schwesternwerks in A-Dur einen eher rustikalen, handfesten Charakter, so zeigt sich selbiger – hier sofort hörbar – dem festlichen Charakter des Kopfsatzes verwandt. Auch Landon bezeugt, dass er in puncto Schreibweise wie innerem Geiste vor allem nach einer Art gestaltet worden sei, nämlich nach der französischen.6
Und somit wären wir wieder beim Bärentanz angelangt, dessen eigentlicher Witz, James Websterzufolge, darin bestünde, wie Haydn „dessen starres Thema mit kunstvollen kontrapunktischen Partien […] verschmelze – so, als wäre zuvor nichts gewesen …“7

H.C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works. Haydn: The Early Years: 1732–1765, London 1980, S. 287.
Jürgen Mainka: „Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 82 C-Dur »L'ours« Hob. I:82 (1786)“ in: Malte Korff (Hg.): Konzertbuch Orchestermusik 1650–1800. Wiesbaden / Leipzig 1991, S. 364.
Ibid.
Vgl. A. Peter Brown: The Symphonic Repertoire Volume II. The First Golden Age of the Viennese Symphony: Haydn, Mozart, Beethoven, and Schubert. Bloomington & Indianapolis 2002, S. 221–222.
Vgl. Bernard Harrison: Haydn. The Paris Symphonies. Cambridge 1998, S. 53.
Vgl. H. C. Robbins Landon: Haydn: Chronicle and Works. Haydn at Eszterháza 1766–1790. London 1978, S. 614.
Zit. nach: Einspielungen und Informationen zur 82. Sinfonie Haydns vom Projekt „Haydn 100&7“ der Haydn-Festspiele Eisenstadt, Abruf: 2. Mai 2019.

Symphony No. 82 "L'Ours"
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Giovanni Antonini, Basel Chamber Orchestra

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Line-ip

Basel Chamber Orchestra
Giovanni Antonini,
conductor

  • Line-up orchestra

    1st violin Stefano Barneschi, Barbara Bolliger, Valentina Giusti, Regula Schär, Tamás Vásárhelyi Irmgard Zavelberg
    2nd violin Nina Candik, Anna Faber, Elisabeth Kohler-Gomes, Eva Miribung, Mirjam Steymans-Brenner
    Viola Mariana Doughty, Bodo Friedrich, Anna Pfister, Katya Polin
    Cello Christoph Dangel, Georg Dettweiler, Hristo Kouzmanov
    Bass Stefan Preyer, Simon Hartmann
    Flute Isabelle Schnöller 
    Oboe Emiliano Rodolfi, Thomas Meraner
    Bassoon Carles Cristobal Ferran, Letizia Viola
    Horn Konstantin Timokhine, Mark Gebhart
    Trumpet Christian Bruder, Simon Lilly
    Timpani Alexander Wäber

Past concerts

Basel
Saturday, 18.05.2019, 19.30 pm

Theodorskirche Basel

Haydn Lounge: 18.30 pm, with Giovanni Antonini and Andrea Scartazzini
Haydn Reading: 19.00 pm, with Hanns-Josef Ortheil

Concert: 19.30 pm (Haydn Soup during interval)

Vienna
Tuesday, 11.02.2020, 19.30 pm

Musikverein Vienna, Brahms-Saal

Haydn Lounge: 18.30 pm, with Giovanni Antonini and Ingrid Schraffl, steinerner Saal / Horst Haschek Auditorium

Concert: 19.30 pm, Brahms-Saal

Rome
Wednesday, 12.02.2020, 20.30 pm

Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rome

Biographies

Basel Chamber Orchestra
Orchestra

Basel Chamber Orchestra

Orchestra

The Basel Chamber Orchestra is deeply rooted in the city of Basel - with its two subscription series in the Stadtcasino Basel as well as its own rehearsal and performance venue, Don Bosco Basel. With world tours and more than 60 concerts per season, the Basel Chamber Orchestra is a popular guest at international festivals and in Europe’s most important concert halls.

As the first orchestra to be awarded the Swiss Music Prize in 2019, the Basel Chamber Orchestra stands out for its excellence and diversity as well as for its depth and consistency. Its interpretations are deeply immersed into the relevant thematic and compositional worlds: in the past with the "Basel Beethoven" or with Heinz Holliger and our "Schubert Cycle". Or as with the long-term project Haydn2032, the study and performance of all Joseph Haydn's symphonies up to the year 2032 under the direction of principal guest conductor Giovanni Antonini and together with the Ensemble Il Giardino Armonico. From the current season onwards, the Basel Chamber Orchestra has decided to devote itself to all the symphonies of Felix Mendelssohn under the direction of the early music specialist Philippe Herreweghe.

The Basel Chamber Orchestra frequently collaborates with selected soloists such as Maria João Pires, Jan Lisiecki, Isabelle Faust and Christian Gerhaher. The Basel Chamber Orchestra presents its broad repertoire under the artistic direction of the first violins and the baton of selected conductors such as Heinz Holliger, René Jacobs and Pierre Bleuse.

The concert programmes are as diverse as the 47 musicians and range from early music on historical instruments to contemporary music and historically informed interpretations.

An important element of the work is the future-oriented education programs in large-scale participatory projects involving creative exchange with children and young people.
The creative work of the Basel Chamber Orchestra is documented by an extensive and award-winning discography.

The Clariant Foundation has been the presenting sponsor of the Basel Chamber Orchestra since 2019.

kammerorchesterbasel.ch

Giovanni Antonini
Conductor

Giovanni Antonini

Conductor

Born in Milan, Giovanni studied at the Civica Scuola di Musica and at the Centre de Musique Ancienne in Geneva. He is a founder member of the Baroque ensemble “Il Giardino Armonico”, which he has led since 1989. With this ensemble, he has appeared as conductor and soloist on the recorder and Baroque transverse flute in Europe, United States, Canada, South America, Australia, Japan and Malaysia. He is Artistic Director of Wratislavia Cantans Festival in Poland and Principal Guest Conductor of Mozarteum Orchester and Kammerorchester Basel.

He has performed with many prestigious artists including Cecilia Bartoli, Kristian Bezuidenhout, Giuliano Carmignola, Isabelle Faust, Sol Gabetta, Sumi Jo, Viktoria Mullova, Katia and Marielle Labèque, Emmanuel Pahud and Giovanni Sollima. Renowned for his refined and innovative interpretation of the classical and baroque repertoire, Antonini is also a regular guest with Berliner Philharmoniker, Concertgebouworkest, Tonhalle Orchester, Mozarteum Orchester, Leipzig Gewandhausorchester, London Symphony Orchestra and Chicago Symphony Orchestra.

His opera productions have included Handel’s Giulio Cesare and Bellini’s Norma with Cecilia Bartoli at Salzburg Festival. In 2018 he conducted Orlando at Theater an der Wien and returned to Opernhaus Zurich for Idomeneo. In the 21/22 season he will guest conduct the Konzerthaus Orchester Berlin, Stavanger Symphony, Anima Eterna Bruges and the Symphonieorchester de Bayerischer Rundfunks. He will also direct Cavalieri’s opera Rappresentatione di Anima, et di Corpo for Theatre an der Wien and a ballet production of Haydn’s Die Jahreszeiten for Wiener Staatsballett with the Wiener Philharmoniker.

With Il Giardino Armonico, Giovanni has recorded numerous CDs of instrumental works by Vivaldi, J.S. Bach (Brandenburg Concertos), Biber and Locke for Teldec. With Naïve he recorded Vivaldi’s opera Ottone in Villa, and, with Il Giardino Armonico for Decca, has recorded Alleluia with Julia Lezhneva and La morte della Ragione, collections of sixteenth and seventeenth century instrumental music. With Kammerorchester Basel he has recorded the complete Beethoven Symphonies for Sony Classical and a disc of flute concertos with Emmanuel Pahud entitled Revolution for Warner Classics. In 2013 he conducted a recording of Bellini’s Norma for Decca in collaboration with Orchestra La Scintilla.

Antonini is artistic director of the Haydn 2032 project, created to realise a vision to record and perform with Il Giardino Armonico and Kammerorchester Basel, the complete symphonies of Joseph Haydn by the 300th anniversary of the composer’s birth. The first 12 volumes have been released on the Alpha Classics label with two further volumes planned for release every year.

Recordings


VOL. 11 _AU GOÛT PARISIEN

CD

Giovanni Antonini, Basel Chamber Orchestra
Symphonies No.24, No.87, No.2 and No.82 "L'Ours"


Available at:
Bider&Tanner, Basel
Outhere Music
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Elliott Erwitt / Magnum Photos

Biography

Elliott Erwitt
Photographer, Magnum Photos

Elliott Erwitt

Photographer, Magnum Photos

Born in Paris in 1928 to Russian parents, Erwitt spent his childhood in Milan, then emigrated to the US, via France, with his family in 1939. As a teenager living in Hollywood, he developed an interest in photography and worked in a commercial darkroom before experimenting with photography at Los Angeles City College. In 1948 he moved to New York and exchanged janitorial work for film classes at the New School for Social Research.
Erwitt traveled in France and Italy in 1949 with his trusty Rolleiflex camera. In 1951 he was drafted for military service and undertook various photographic duties while serving in a unit of the Army Signal Corps in Germany and France.
While in New York, Erwitt met Edward Steichen, Robert Capa and Roy Stryker, the former head of the Farm Security Administration. Stryker initially hired Erwitt to work for the Standard Oil Company, where he was building up a photographic library for the company, and subsequently commissioned him to undertake a project documenting the city of Pittsburgh.
In 1953 Erwitt joined Magnum Photos and worked as a freelance photographer for Collier's, Look, Life, Holiday and other luminaries in that golden period for illustrated magazines. 
In the late 1960s Erwitt served as Magnum's president for three years. He then turned to film: in the 1970s he produced several noted documentaries and in the 1980s eighteen comedy films for Home Box Office. Erwitt became known for benevolent irony, and for a humanistic sensibility traditional to the spirit of Magnum.
To this day he is for hire and continues to work for a variety of journalistic and commercial outfits. 

‘Oh! You’re playing Mozart!’ I interrupted my playing and answered: ‘No, it’s a sonata by Haydn!’ – My father shook his head and said: ‘It sounds just like Mozart!’ – ‘But it’s Haydn’, I persisted, ‘composed before 1767, with the simple and direct intimacy of his early style!’ – ‘With his what?’ – ‘Simple, direct and intimate!’ I said. – ‘That’s rather over the top’, my father replied, ‘I think it’s simple, but fine. Haydn, Mozart – it doesn’t matter much either way. It’s all Viennese Classic.’

Excerpt from the essay "How I Could Talk about Joseph Haydn…" by Hanns-Josef Ortheil


The essay "How I Could Talk about Joseph Haydn…" by Hanns-Josef Ortheil will be published in the vinyl edition vol. 11.

Biography

Hanns-Joseph Ortheil
Autor

Hanns-Joseph Ortheil

Autor

Hanns-Josef Ortheil, born in 1951, is one of the most important contemporary German authors and has received many awards for his work, among them the Brandenburg Literature Prize, the Thomas Mann Prize, the Nicolas Born Prize and the Hannelore Greve Literature Prize. His novels have been translated into more than 20 languages. He teaches creative writing and cultural journalism as a professor at the University of Hildesheim.