NO.19__TRAUER

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini,
Dirigent
Nora Gomringer, Autorin
Emin Özmen, Fotografie
 

Sinfonien Nr. 44 «Trauersinfonie», Nr. 52 und Nr. 108
Samuel Scheidt (1587-1654): Paduan a 4 aus «Ludi musici prima pars»
Arvo Pärt (*1935): «Da pacem Domine» für Streichorchester (2004/2006)

 

Konzerte:
10. Oktober 2023, Wien Musikverein
16. Oktober 2023, Basel Don Bosco
 

von Giovanni Antonini:
Die Idee des 19. Projekts von Haydn2032 ist, mittels zweier dramatischer Moll-Sinfonien unseres Meisters, einer um anderthalb Jahrhunderte älteren Pavane des Komponisten Samuel Scheidt, sowie eines in Töne verfassten Friedensgebets unseres Zeitgenossen Arvo Pärt, einen zeitlich wie stilistisch denkbar weiten Bogen zu spannen, dessen Gemeinsamkeit in der Behandlung der Thematik von Tod und Trauer besteht.

Auch wenn die für unser Programm ausgewählte «Paduan a 4» einer 1621 veröffentlichten Sammlung von «musikalischen Spielen» entstammt, empfand ich stets, dass gerade diesem Stück (welches ich sehr liebe) eine besondere Art von Traurigkeit und Melancholie innewohnt, eine, die mit jenen Ereignissen in Verbindung steht, welche das Leben der Menschen – nicht nur in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts – entscheidend prägte. Es waren die Jahre des Dreissigjährigen Krieges, eine Zeit religiös motivierter Auseinandersetzungen, die mit äusserster Brutalität geführt wurden … und deren Folgen bis ins Jetzt und Heute nachzuwirken scheinen, wie dies manch terroristischer Anschlag unserer Tage unter Beweis zu stellen vermag. Dem Andenken der Opfer eines solchen – er ereignete sich am 11. März 2004 in Madrid – ist das «Da pacem Domine», das Pärt im Auftrag meines geschätzten Kollegen Jordi Savall zu Papier brachte, und das mit seinem kontemplativen Charakter den Adagios und Andantes zahlreicher Sinfonien Joseph Haydns ähnelt.

Wie die Musik des Esten ist auch diejenige von Haydn, selbst wenn sie traurig klingt, nie von Verzweiflung geprägt. Einer der Gründe hierfür dürfte – symbolisiert durch die Phrase «laus Deo», mit der er das Ende seiner Kompositionen zu zieren pflegte – in seiner positiven, gesunden und aufgeklärten Einstellung gegenüber Fragen der Religion.

Programm

Joseph Haydn (1732–1809): Sinfonie Nr. 108 B-Dur Hob. I:108 (1762)
Allegro molto / Menuet – Trio / Andante / Finale. Presto

108

SINFONIE NR. 108 B-DUR HOB. I:108 "B" (bis 1765 [1762])

Besetzung: 2 Ob, Fg, 2 Hr, Str
Entstehungszeit: bis 1765 [1762]
zum Projekt

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 52 c-Moll Hob. I:52 (1771)
Allegro assai con brio / Andante / Menuet. Allegretto – Trio / Finale. Presto

52

SINFONIE NR. 52 C-MOLL HOB. I:52 (1771)

Besetzung: 2 Ob, 2 Hr, Str
Entstehungsjahr: bis 1774 [2. Hälfte 1771]
zum Projekt

Samuel Scheidt (1587–1654): Paduan a 4 aus «Ludi Musici Prima Pars» (Hamburg, 1621)

Aarvo Pärt (*1935): «Da Pacem Domine» für Streichorchester (2004/2006)

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 44 e-Moll Hob. I:44 «Trauersinfonie» (1770/1771)
Allegro con brio / Menuet. Allegretto: Canone in Diapason – Trio / Adagio / Finale. Presto

44

SINFONIE NR. 44 E-MOLL «TRAUERSINFONIE» HOB. I:44 (1770/1771)

Besetzung: 2 Ob, 2 Hr, Str
Entstehungsjahr: bis 1772 [1770/1771]
zum Projekt

Besetzung

Il Giardino Armonico
Giovanni Antonini, Dirigent

Vergangene Konzerte

Wien
Dienstag, 10. Oktober 2023, 19.30 Uhr

Musikverein Wien, Brahms-Saal

Konzerteinführung: 18.30 Uhr, Steinerner Saal / Horst Haschek Auditorium

Basel
Montag, 16. Oktober 2023, 19.30 Uhr


Haydn-Lounge im Heinz Holliger Auditorium, Don Bosco Basel:

18.15 Uhr: Lesung mit Nora Gomringer
18.50 Uhr: Pre-concert Talk mit Giovanni Antonini und Andrea Scartazzini (Moderation)

Einlass ab 18.00 Uhr (kein Einlass zwischen Lesung und Talk).
Die Platzzahl ist auf 50 Personen beschränkt. Zutritt nur mit Konzertticket möglich.
 

Konzert im Paul Sacher Saal, Don Bosco Basel:

19.30 Uhr: Konzert
Haydn-Suppe in der Konzertpause

Die Abendkasse ist ab 18.00 Uhr geöffnet.

  • Livestream

    Der Livestream vom Konzert ist auf YouTube noch bis am 16. Januar 2024 verfügbar.

Biografien

Il Giardino Armonico
Orchester

Il Giardino Armonico

Orchester

Il Giardino Armonico, unter der Leitung von Giovanni Antonini, wurde 1985 gegründet und hat sich als eines der weltweit führenden Ensembles mit Spezialisierung auf historische Instrumente etabliert. Das Ensemble besteht aus Musikerinnen und Musikern aus den bedeutenden Musikinstituten Europas. Sein Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf das 17. und 18. Jahrhundert. Je nach Bedarf des jeweiligen Programms besteht die Gruppe aus sechs bis dreißig Musikerinnen und Musikern.

Das Ensemble wird regelmäßig zu Festivals auf der ganzen Welt eingeladen und tritt in den bekanntesten Konzerthallen auf. Große Anerkennung erfährt es dabei sowohl für seine Konzerte als auch für seine Opernproduktionen, z. B. Monteverdis „L’Orfeo“, Vivaldis „Ottone in Villa“, Händels „Agrippina“, „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“, „La Resurrezione“ und „Giulio Cesare in Egitto“ mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen 2012.

Darüber hinaus ist Il Giardino Armonico stets intensiv mit Aufnahmen beschäftigt. Viele Jahre war das Ensemble exklusiv bei Teldec unter Vertrag und erhielt mehrere bedeutende Auszeichnungen für seine Aufnahmen von Werken von Vivaldi und den anderen Komponisten des 18. Jahrhunderts. Es folgte ein Exklusivvertrag mit Decca/L’Oiseau-Lyre für die Aufnahme von Händels Concerti Grossi op. 6 und die Kantate „Il Pianto di Maria“ mit Bernarda Fink. Bei Naïve brachte Il Giardino Armonico zudem „La Casa del Diavolo“, Vivaldis Cellokonzerte mit Christophe Coin, sowie die Oper „Ottone in Villa“ heraus, die 2011 mit dem Diapason d'Or ausgezeichnet wurde. Für das Label Onyx nahm es Vivaldis Violinkonzerte mit Viktoria Mullova auf.

Nach dem großen Erfolg und der Grammy-Auszeichnung für „The Vivaldi Album“ mit Cecilia Bartoli (Decca, 2000) führte eine erneute Zusammenarbeit mit ihr 2009 zu dem Projekt „Sacrificium“ (Decca), ein Platin-Album in Frankreich und Belgien, das einen weiteren Grammy erhielt. Produkt des jüngsten Projekts mit Cecilia Bartoli ist das Album „Farinelli“ (Decca, 2019).
Ebenfalls bei Decca brachte Il Giardino Armonico „Alleluia“ (2013) und „Händel in Italy“ (2015) mit Julia Lezhneva heraus – beide Werke wurden von Öffentlichkeit und Kritikern gepriesen.

In einer Koproduktion mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau (Polen) veröffentlichte Il Giardino Armonico „Serpent & Fire“ mit Anna Prohaska (Alpha Classics – Outhere Music Group, 2016) und gewann 2017 den ICMA für Barockgesang. Es folgte die Telemann-Aufnahme auf CD und LP (Alpha Classics, 2016), die 2017 den Diapason d’Or de l'Année und den Echo Klassik erhielt.
Die Einspielung von fünf Violinkonzerten von Mozart mit Isabelle Faust (Harmonia Mundi, 2016) ist das Ergebnis der hochkarätigen Zusammenarbeit mit der großartigen Violinistin und wurde 2017 mit dem Gramophone Award und Le Choc de l'année ausgezeichnet.
Ein neues Vivaldi-Album, „Concerti per flauto“, ist erschienen (Alpha Classics, March 2020) und gewann den Diapason d’Or: eine prächtige Zusammenstellung aus diesem Repertoire mit Giovanni Antonini als Soloist, aufgenommen zwischen 2011 und 2017.

Il Giardino Armonico ist Teil des Projekts „Haydn2032“, zu dessen Zweck die Joseph Haydn Stiftung Basel gegründet wurde, um sowohl die Einspielung der gesamten Haydn-Sinfonien (Label: Alpha Classics) als auch Konzerte in verschiedenen europäischen Städten mit dem thematischen Schwerpunkt auf dessen Repertoire zu unterstützen. Das erste Album mit dem Titel „La Passione“ kam im November 2014 heraus und erhielt den Echo Klassik (2015). „Il Filosofo“, 2015 veröffentlicht, wurde mit dem „Choc of the Year“ von Classica ausgezeichnet. Das dritte Album, „Solo e Pensoso“, erschien im August 2016 und das vierte Album, „Il Distratto“, kam im März 2017 heraus und gewann im selben Jahr den Gramophone Award. Die achte Einspielung, La Roxolana, wurde im Januar 2020 veröffentlicht und die neunte Aufnahme, „L’Addio“, kam im Januar 2021 heraus und gewann den „Choc of the Year“ von Classica und den Diapason d’Or. Das zehnte Album, „Les Heures du Jour“, wurde im Juli 2021 herausgebracht und gewann im Oktober 2021 den Diapason d’Or.
Der Album-Zyklus wurde kürzlich um ein weiteres monumentales Werk des österreichischen Komponisten ergänzt: „Die Schöpfung“ mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks wurde im Oktober 2020 veröffentlicht.

Das Ensemble arbeitete ebenfalls mit renommierten Soloisten wie Giuliano Carmignola, Sol Gabetta, Katia und Marielle Labèque, Viktoria Mullova und Giovanni Sollima zusammen.
2018 setzte Il Giardino Armonico seine Zusammenarbeit mit der jungen und talentierten Violinistin Patricia Kopatchinskaja mit einem Programm voller schöpferischer Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft fort, das philologische Genauigkeit und zeitgenössische Musik verbindet: Das Album „What’s next Vivaldi?“ kam im Oktober 2020 bei Alpha Classics heraus und erhielt 2021 den Opus Klassik.
Zu den jüngsten Projekten zählen die Aufnahme von „La morte della Ragione“ (koproduziert mit dem Nationalen Forum für Musik in Breslau, herausgebracht von Alpha Classics und 2019 ausgezeichnet mit dem Diapason d’Or), ein Programm zur Förderung der Aufmerksamkeit für Barockmusik in Europa und die Suche nach einer Wiederbelebung des Hörerlebnisses früher Musik.

ilgiardinoarmonico.com

Giovanni Antonini
Dirigent

Giovanni Antonini

Dirigent

Der gebürtige Mailänder Giovanni Antonini studierte an der Civica Scuola di Musica und am Zentrum für alte Musik in Genf. Er ist Mitbegründer des Barockensembles Il Giardino Armonico, dessen Leitung er seit 1989 innehat. Mit dem Ensemble trat er als Dirigent und als Solist für Block- und Traversflöte in Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Südamerika, Australien, Japan und Malaysia auf.
Antonini hat bereits mit vielen namhaften Künstlern zusammengearbeitet, darunter Cecilia Bartoli, Kristian Bezuidenhout, Giuliano Carmignola, Isabelle Faust, Sol Gabetta, Sumi Jo, Viktoria Mullova, Katia und Marielle Labèque, Emmanuel Pahud und Giovanni Sollima.
Aufgrund seiner differenzierten und innovativen Interpretation und Arbeit mit dem klassischen und barocken Repertoire ist Antonini ein gefragter Gastdirigent bei vielen führenden Orchestern. So gastiert er etwa regelmässig bei den Berliner Philharmonikern, dem Concertgebouworkest Amsterdam, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Mozarteumorchester Salzburg, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem London Symphony Orchestra, der Tschechischen Philharmonie und dem Chicago Symphony Orchestra.

Zu seinen Opernproduktionen gehören Händels Giulio Cesare und Bellinis Norma mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Festspielen. Im Jahr 2018 dirigierte er Orlando am Theater an der Wien und Idomeneo am Opernhaus Zürich. 2019 folgten Giulio Cesare, 2021 Cosìfan tutte und 2024 L’Orontea an der Scala und er war erneut am Theater an der Wien zu Gast mit Cavalieri’s Rappresentatione di Anima, et di Corpo.

In der Saison 2025/26 dirigiert er Le Nozze di Figaro am Liceu Barcelona und Pugnani's Werther mit dem Mozarteumorchester Salzburg. Er arbeitet mit dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Oslo Philharmonic Orchestra, dem Finnish Radio Symphony Orchestra und kehrt zu den Bamberger Symphonikern zurück. Er realisiert ausserdem zwei Projekte mit der Tschechischen Philharmonie und dem Tschechischen Jugendphilharmonie-Orchester. Mit Il Giardino Armonico als «Ensemble in Residence» in der Wigmore Hall London tritt er dort regelmässig während der gesamten Saison auf.

Mit Il Giardino Armonico hat Giovanni Antonini zahlreiche CDs mit Instrumentalwerken von Vivaldi, J.S. Bach (Brandenburgische Konzerte), Biber und Locke für Teldec aufgenommen. Mit Naïve nahm er Vivaldis Oper Ottone in Villa auf und für Decca spielte er ebenfalls mit Il Giardino Armonico zwei CDs mit Julia Lezhneva ein. Bei Alpha Classics (Outhere Music Group) veröffentlichte er verschiedene Alben, darunter La Morte della Ragione, die sein besonderes Interesse an der Musik der Renaissance mit Sammlungen von Instrumentalmusik aus dem 16. und 17. Jahrhundert widerspiegeln. Mit dem Kammerorchester Basel hat er die gesamten Beethoven-Sinfonien für Sony Classical aufgenommen und mit Emmanuel Pahud für Warner Classics eine CD mit Flötenkonzerten unter dem Titel «Revolution».

Antonini ist künstlerischer Leiter des Projekts «Haydn2032», mit dem die Vision verwirklicht werden soll, bis zum 300. Jahrestag der Geburt des Komponisten sämtliche Sinfonien von Joseph Haydn aufzunehmen und mit Il Giardino Armonico und dem Kammerorchester Basel aufzuführen. Unterdessen ist etwas mehr als die Hälfte des Projekts erreicht und die ersten siebzehn Editionen sind beim Label Alpha Classics erschienen, jährlich sind zwei weitere Editionen geplant.

© Emin Özmen / Magnum Photos

«Das Schönste an dir ist deine Stimme, sagte der Mann zu mir und ich glaubte ihm und war eine zufriedene Frau, weil ich diese Stimme besaß, die ihm gefiel. Ich nutzte sie, wenn angesprochen, denn ein Zuviel der Stimme gefiel dem Mann nicht.

Also war ich eine Art Hoffmann’sche Olympia, die viel nickte und lächelte und „ach, ach“ seufzte, um dem Mann meine Gefühlspalette im Ansatz zu vermitteln in der Annahme, sie interessiere ihn. Im Inneren beschäftigten mich andere Dinge: Fragen.»

Ausschnitt aus dem Text von Nora Gomringer 

 

Der Text «Sich schöpfen – Original werden. Die Pläne der anderen und ein Kopf, dem man das Denken ansieht. – Ein Haydnisches Durcheinander» von Nora Gomringer wird in der Schallplatten-Edition Vol. 19 erscheinen.

Biografie

Nora Gomringer
Autorin

Nora Gomringer

Autorin

Nora Gomringer, geboren 1980, ist Schweizerin und Deutsche. Sie ist Lyrikerin und schreibt für Radio und Feuilleton, veröffentlicht Kolumnen und Essays. In den letzten Jahren ist ihre Medienpräsenz durch verschiedene Film- und TV-Arbeiten gewachsen, dabei wird ihr Name fest mit Gedichten und Kulturvermittlung verbunden. Auftragsarbeiten wie Libretti für Opernprojekte und das Theaterstück „OINKONOMY“ wurden für verschiedene Bühnen realisiert. Gastprofessuren und Stipendien führten sie nach Sheffield, Koblenz/Landau, Oberlin/Ohio, Kyoto, New York und Novosibirsk. Seit 2010 ist sie Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg/Bayern. 2015 gewann sie den Ingeborg-Bachmann-Preis für den Prosatext „Recherche“ und 2020 die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz für ihre Verdienste für die deutsche Sprache. Ihre letzte Auszeichnung ist der Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis 2022. Ihr Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.